Ein Beitrag von Siegfried Huhn zur Idee hinter dem Werdenfelser Weg:

Hinter dem sogenannten Werdenfelser Weg steht der Gedanke, alle Möglichkeiten zu erwägen und auszuschöpfen, um Fixierungen weitestgehend zu vermeiden und allen beteiligten Personen Handlungssicherheit in haftungsrechtlicher Hinsicht zu geben. Es handelt sich um einen verfahrensrechtlichen Ansatz im Rahmen des geltenden Betreuungsrechts. Die Initiative geht von dem Amtsrichter Sebastian Kirsch und dem Leiter der Betreuungsbehörde Josef Wassermann in Garmisch-Partenkirchen aus. Grundlage für diesen neuen Ansatz war die Feststellung, dass immer mehr freiheitsentziehende Maßnahmen wie Fixierungen durch Bauchgurte, Bettgitter, Vorsatztische und sonstige Einschränkungen beantragt wurden. Hintergrund hierfür waren bei den meisten Einrichtungen ein ausgeprägtes Sicherheitsdenken und die Angst vorhaftungsrechtlichen Konsequenzen nach Stürzen.

Fixierung ist Verlust an Lebensqualität

Die Initiatoren hatten erkannt, dass kürzere, insbesondere aber oft monatelang andauernde Fixierungen im Bett oder Stuhl bei den betroffenen Personen zu körperlichen und seelischen Leiden führen und den gesamten Gesundheitszustand erheblich beeinträchtigen. Beobachtet werden verstärkt auftretende Ängste und Unruhe oder Wahrnehmungszustände bis hin zu deliranten Syndromen. Körperlich kommt es zu Muskelabbau, verstärkter Inkontinenz, Lungenentzündungen und Druckgeschwüren. Hierin sehen die Initiatoren einen nicht vertretbaren Verlust an Lebensqualität. Darüber hinaus sind Fixierungsmaßnahmen selbst bei korrekter Durchführung in Einzelfällen sogar kausal für Unglücksfälle mit Todesfolge verantwortlich, wie durch Strangulieren, Kopftieflage oder Thoraxkompression. Im Expertenstandard Sturzprophylaxe des DNQP wird zudem beschrieben, dass bereits kurzfristige Fixierungsmaßnahmen körperlich so beeinträchtigen können, dass sich das Sturzrisiko für die betroffenen Personen erhöht.

Gleichzeitig wurde von den Initiatoren beobachtet, dass mögliche andere Sicherheit gebende Strategien zur Sturzprophylaxe und Minimierung von Verletzungsrisiken, wie Niedrigbetten, Auffangmatten, Umfeldsicherung usw. nicht in ausreichendem Maße in die Erwägungen einbezogen werden. Die Initiatoren des Werdenfelser Wegs kamen so zu der Ansicht, dass die Persönlichkeitsrechte und Förderung der Lebensqualität der von Fixierungen betroffenen Personen hinter dem Sicherheitsdenken der Einrichtungen zurückstehen und dass nicht im gebotenen Maß nach Alternativen zur Vermeidung von Fixierungen gesucht wird, was einen Handlungsbedarf in diesem Bereich deutlich macht.
Siegfried Huhn
Huhn1

Siegfried Huhn (Jg. 1955) ist Krankenpfleger, Gesundheitswissenschaftler, Fachautor und Sozialwirt. Außerdem Mitglied der Expertengruppe Sturzprophylaxe beim DNQP, Osnabrück. Freiberufler in Fort- und Weiterbildung mit zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Büchern.

 

Lesen Sie hier Teil 2 des Beitrages

Leave a Reply

1 comment

  1. Pingback: Werdenfelser Weg - Gemeinsam Verantwortung übernehmen (Teil 2) - pflege-today.de