Tiertherapie in der Pflege

Tiertherapie in der Pflege: Die demente, 80-jährige Maria sitzt in ihrer Wohngruppe in einem gemütlichen Sessel, sie schaut durch ein großes Fenster in den Garten. Ihr Gesicht wirkt entzückt. Die Augen strahlen. Die ansonsten oft stumme Niederbayerin freut sich: „Mei ist des schee“. Maria beobachtet durch ein Demenzfenster drei Ziegen, die ruhig im Garten grasen, zwischen ihnen springen zwei Zicklein, ganz ins Spiel vertieft. 

Tiere begleiten uns oft ein Leben lang. Wurden sie früher eher als Nutztiere im Stall gehalten, finden sie sich heute immer mehr in den eigenen vier Wänden. Allein in Deutschland leben heute mehr als 15 Millionen Katzen in Haushalten. Auch in der Therapie werden Haustiere und sogar Schnecken eingesetzt. Ziegen und Hunde besuchen Altenheime, Wohngruppen besuchen Kühe und Lamas auf dem Bauernhof. Das hat einen Grund: Vierbeiner senken den Blutdruck und spenden Trost. Das Immunsystem wird gestärkt und ältere Menschen bewegen sich an der frischen Luft. Neue Anreize und Aufgaben entstehen. Doch welche Tierarten sind in der Tiertherapie für welche Gesundheitszustände und Krankheiten geeignet?

Hund als Alarmgeber

Hunde sind in Deutschland nicht mehr wegzudenken – nach Schätzung des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) hat jeder Achte einen Hund. Die Fellnasen eignen sich durch ihre aktive und freundliche Art als Begleithund oder für eine tiergestützte Therapie. Blinden oder Menschen mit Epilepsie wird schon seit längerer Zeit ein Hund zur Seite gestellt. Sie bemerken Minuten vor einem drohenden Anfall die alarmierende Situation, warnen ihren Besitzer oder geben Familienmitgliedern Bescheid. 

Durch Hunde lernen wir, auf nonverbaler Ebene zu kommunizieren. Zudem zeigen wir uns Menschen wahrhaftig, denn die Vierbeiner spüren jede Emotion und begegnen uns wertfrei. Die gelernte Heilpraktikerin Dagmar Mangold aus Kempten weiß, wie ihre Therapiehündin Lea auf Menschen zugeht: „Lea sieht nicht das Handicap des Menschen – sondern nur Mitgefühl, Zuneigung und Interesse.“ Durch das Streicheln des Hundes wird eine Menge an körpereigenen Glückshormonen wie Oxytocin und Endorphinen ausgeschüttet. Wir fühlen uns wohl, der Blutdruck sinkt.

In Wohngruppen können wöchentliche Spaziergänge mit Besuchshunden stattfinden. Ältere kommen so nach draußen und erleben wohltuende Routinen. Gerade für Demenzerkrankte sind Hunde wertvoll. So sind Demente oft unruhig oder apathisch. Durch Vierbeiner werden Patienten ruhiger, die Herzfrequenz sinkt – das reduziert Ängste. Auch Menschen mit ADHS können sich besser konzentrieren und werden fokussierter durch das Beisein eines Fellfreundes. 

Bauernhoftiere wecken Erinnerungen

Doch auch Bauernhoftiere können Therapietiere sein. Sei es Ziege, Kuh, Minischwein oder Alpaka – Spaziergänge mit Stallbewohnern werden immer beliebter. So sind Alpakas gutmütig, neugierig und sensibel. Bürsten und Streicheln der Tiere reduziert Stresshormone, ihre ausgeglichene Art hilft Menschen mit Burnout oder Depressionen.

Bauernhofbesuche eignen sich für Altenheimbewohnerinne genauso wie für Pflegegruppen. Denn etliche Senioren haben schon als Kinder in der Landwirtschaft mitgeholfen oder sogar einen Hof bewirtschaftet – da werden alte Erinnerungen wach. Sabine Mischstenko aus der Tagespflege Schonungen weiß um die positive Resonanz der Tiere: „Demenzerkrankte sind aufgeweckter und reagieren auf Tiere“. Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit nehmen während und nach dem Besuch zu; körperliche und psychische Funktionen verbessern sich. 

Pferde als Therapeut

Die Hippotherapie, also die Tiertherapie mit Pferden, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die Reittherapie wird häufig als physiotherapeutische Ergänzung eingesetzt. Bei Menschen mit halbseitiger Lähmung sind die Ergebnisse vielversprechend. Der Patient muss sich auf Rhythmus und Impuls des Pferdes einlassen, das stärkt die Körpermitte und beeinflusst den Muskeltonus. Gerade bei Senioren werden so Gelenke mobilisiert, die Gleichgewichtsreaktion verbessert und Muskeln aufgebaut. Aber auch auf psychischer Ebene helfen die Rösser: Sie strahlen Ruhe und Gelassenheit aus. Menschen mit Ängsten oder Depressionen finden so oft schnell Vertrauen und Stabilität. 

Katzen sind Blutsdrucksenker

Zu guter Letzt sind Katzen ausgezeichnete tierische Helfer. Als fester Bestandteil einer Wohngruppe, spenden sie Trost und Wärme. Streichel-, Pflege- und Füttereinheiten vermitteln Konstanz, das Schnurren beruhigt. Mit ihrer vorsichtigen und freundlichen Annäherung nehmen Katzen Ältere schnell für sich ein. Körperliche Beschwerden werden von der Samtpfote in den Hintergrund gedrängt und spätestens, wenn es sich die Katze auf Schoß oder Bett gemütlich macht und sich schnurrend streicheln lässt, sinken Herzfrequenz und Blutdruck. Die Aufmerksamkeit gilt nun nur der Fellnase. Genauso sieht das die promovierte Verhaltensforscherin Dr. Carola Otterstedt: „Tiere können eine wunderbare Brücke bauen zwischen dem Leben heute und dem vorherigen Leben der zu Betreuenden. Im Kontakt mit Tieren können wir Lebenserinnerungen erzählen und Fürsorge geben.“

Die Tiertherapie oder tierbegleitende Therapie ist noch kein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf. Selbst wenn ein Behandlungsbedarf besteht, übernehmen Krankenkassen in der Regel keine Kosten. Was sehr schade ist, denn etliche Studien und auch Pflege- und Fachpersonal bestätigen die positive Wirkung der Vierbeiner. Vertrauen wir auf unsere tierischen Helfer, können Krankheiten gemildert und gesundheitliche Zustände verbessert werden.

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