Lesen Sie jetzt den zweiten Teil des Beitrages von Siegfried Huhn zur Idee hinter dem Werdenfelser Weg:

Die Umsetzung durch Verfahrenspfleger

Der Werdenfelser Weg verfolgt den Ansatz, spezialisierte Verfahrenspfleger mit pflegerischem Grundwissen für das gerichtliche Genehmigungsverfahren von freiheitsentziehenden Maßnahmen heranzubilden. Diese Verfahrenspfleger sollen über eine Kombination von Pflegefachwissen und einen gehobenen juristischen Informationsstand zu den rechtlichen Fragestellungen in den Einrichtungen beratend tätig werden, um so möglicherweise Fixierungsmaßnahmen abzuwenden. Die Verfahrenspfleger diskutieren im Auftrag des Gerichts jeden Fixierungsfall zum Teil auch über mehrere Wochen, um mögliche alternative Strategien zur Vermeidung von Fixierungen abzuwägen und umzusetzen. Es geht auch darum, die Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien zu verbessern und die doch größtenteils irrationalen Ängste abzubauen, die oft pflegefachlich fundierte und juristische wie menschlich vertretbare Lösungen überlagern. Es wird abgeklärt, inwieweit alle Strategien zur Vermeidung von Fixierungsmaßnahmen ausgeschöpft werden. Die Verfahrenspfleger beurteilen mit den anderen Beteiligten, insbesondere den Pflegepersonen der Einrichtung, das tatsächliche Risiko und unterstützen dann den Lösungsprozess zum möglichen Verzicht auf Fixierungen.

Die Pflegepersonen sollen Handlungssicherheit sowohl in pflegefachlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht bekommen, um zukünftig erst nach Abwägung aller Möglichkeiten überhaupt eine freiheitsentziehende Maßnahme zu beantragen. Dabei soll ein Schwerpunkt der Beratung im Abwägen von tatsächlichem Risiko, letztendlich hinnehmbarem Risiko und Erhalt der Selbstbestimmung und Menschenwürde liegen. Ziel ist, einen Konsens zu erreichen und zu einer gemeinsam getragenen Abschätzung zu kommen, wie im konkreten Fall das Sturz- und Verletzungsrisiko gegen die Folgen einer angewendeten Fixierung abzuwägen ist. So sollen neben kurzfristigen Sicherheitsaspekten auch die daraus entstehenden Konsequenzen einbezogen werden, insbesondere der Verlust an Lebensqualität und aus Fixierungen resultierende physische und psychische Verschlechterungen. Die Zielsetzungen Zusammenfassend verfolgt der Werdenfelser Weg durch Informationen, Beratung und Schulung folgende Ziele:

  • Abkehr vom starren Sicherheitsdenken
  • Verantwortungsvolles Abwägen verschiedener Möglichkeiten
  • Veränderung der Pflegekultur
  • Veränderung im Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen

Die Grundlage liegt in der Öffnung aller Professionen zu einem Austausch von Wissen und Erfahrung zur gemeinsamen Übernahme von Verantwortung für das Handeln am Pflegebedürftigen und in seinem Sinne. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Anzahl an freiheitsentziehenden Maßnahmen bei Umsetzung des Werdenfelser Wegs deutlich zurückgegangen ist. Inzwischen wird der Werdenfelser Weg an über 140 Gerichten in Deutschland praktiziert. Die Initiatoren wurden in 2012 mit dem Janssen-Zukunftspreis ausgezeichnet als ein bundesweit zukunftsweisendes Projekt im Gesundheitswesen. Die als „Gesundheits-Nobelpreis“ bezeichnete Auszeichnung würdigt Personen, Einrichtungen oder Organisationen, die dem deutschen Gesundheitswesen mit ihren Ideen und bemerkenswerten Leistungen einen entscheidenden Impuls geben.

 

Siegfried Huhn

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Siegfried Huhn (Jg. 1955) ist Krankenpfleger, Gesundheitswissenschaftler, Fachautor und Sozialwirt. Außerdem Mitglied der Expertengruppe Sturzprophylaxe beim DNQP, Osnabrück. Freiberufler in Fort- und Weiterbildung mit zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Büchern.

 

Lesen Sie hier Teil 1 des Beitrages.

 

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