So wichtig ist Frühmobilisation

Der 85-jährige Hans ist beim Brötchenholen auf dem vereisten Gehsteig gestürzt. Dabei hat er sich den Arm gebrochen und muss ins Krankenhaus. Kurz nachdem der Arm im Gips liegt, rät ihm der Arzt im Krankenhaus mit Frühmobilisation zu beginnen. Noch im Pflegebett trainiert er mit einem Bettfahrrad. Bei ersten Gehversuchen ist er unsicher und hat Angst, wieder zu stürzen. Deswegen assistiert ihm eine Physiotherapeutin und weicht nicht von seiner Seite. Bald kann er alleine stehen und streift mit einem Rollator durchs Krankenhaus. Nach wenigen Tagen ist er ohne Hilfsmittel alleine unterwegs. Seine Vitalwerte sind gut, er wird entlassen und darf nach Hause. Weil er nach dem Sturz schnell angefangen hat, sich zu bewegen hat er seine Sturzangst überwunden. Zuhause geht er sicheren Schrittes wie früher zum Bäcker. Hans kam schnell auf die Beine, weil er früh mobilisiert wurde.

Vorteile von Frühmobilisation

Frühmobilisation regt die Blutzirkulation an und beugt Thrombosen, Lungenentzündungen oder Wundliegen vor. Körper und Kreislauf werden angeregt und Patienten bleibt der Gleichgewichtssinn erhalten. Betroffene, die sich nicht mobilisieren, verlieren Muskelmasse und damit Kraft, was später zu einem längeren Krankenhausaufenthalt und einer längeren Rehabilitation führt.

Hinzu kommt: Nach einem Sturz haben Ältere oft Angst wieder hinzufallen und vermeiden das Laufen oder Bücken. Die Mobilität nimmt weiter ab und ein erneutes Stürzen wird wahrscheinlicher. „Darum ist es wichtig, rasch zu mobilisieren, um der Angst frühzeitig den Garaus zu machen. Patienten gewinnen auch schneller ihr Körpergefühl und Gleichgewicht zurück“, erklärt Tihana Garib Physiotherapeutin im Klinikum Christophsbad im württembergischen Göppingen. Abgesehen von den gesundheitlichen Vorteilen spart Frühmobilisation Geld, da der Aufenthalt im Krankenhaus oder der Reha verkürzt und aufwändigere Pflege vermieden wird.

Frühmobilisation in der Praxis

„Immobilität kann schon innerhalb der ersten 72 Stunden nach einem bewegungseinschränkenden Ereignis einsetzen“, erklärt auch Anja Fischbeck, Einrichtungsleiterin in einem bayerischen Pflegeheim. Deswegen ist es wichtig, den Patienten schnellstmöglich in Bewegung zu bringen. Je nach Erkrankung oder Operation kann die Mobilisation, in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt noch am Ereignistag beginnen. Und je nach Zustand des Betroffenen gibt es eigenständige, assistierende und komplett geführte Formen der Frühmobilisierung. Diese reichen von aufrechtem Sitzen oder Stehen an der Bettkante über Atemgymnastik bis hin zu geräteunterstütztem Training.

Passive Patienten werden mit verschiedenen Lagerungsmaterialen wie Kissen, Decken, Sitzblöcken und sogar Hängematten in Frühmobilisationspositionen gelagert. Wobei im Krankenhaus oft vielfältigere Möglichkeiten bestehen, als in Pflegeheimen oder in häuslicher Pflege. So kann bei einer Immobilität des Oberkörpers durch ein Bettfahrrad das Herz-Kreislauf-System angeregt und der Unterkörper mobilisiert werden. Oder durch aufrechtes Sitzen in einem Mobilisationsstuhl nach einer Operation der Kreislauf angeregt und die Atmung erleichtert werden. „Solche Geräte entlasten den therapeutischen Alltag, sind aber nicht notwendig“, erklärt Garib, die Physiotherapie in Zagreb studiert hat. „In der häuslichen Pflege und im Pflegeheim muss man als Therapeut, je nach Ausstattung etwas kreativer sein“.

„Gerade wenn ein Unfall im häuslichen Umfeld passiert, spielen Angehörige eine zentrale Rolle“, verdeutlicht Fischbeck. Mobilisieren können mit einer Einweisung von einem Arzt oder Physiotherapeuten auch Familienmitglieder oder Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes. Moderne Pflegebetten helfen hierbei, indem Sie sich elektrisch in spezielle Mobilisations-  oder auch Sitzpositionen fahren lassen. Das gilt übrigens auch für die Arbeit in Pflegeheimen. „Wir sind verpflichtet, eine aktivierende Pflege anzubieten“, erklärt Fischbeck, die gelernte Betriebswirtin für Krankenhaus und Sozialmanagement ist.

Verbesserungspotenzial

Allerdings hat Frühmobilisation auch ihre Grenzen. „Bei der Zusammenarbeit, der Kommunikation zwischen den Berufsgruppen und der Weiterbildung gibt es noch viel Verbesserungspotenzial“, meint Garib. So fehlt es in sozialen Einrichtungen häufig an Personal und Ausstattung. Die Notwendigkeit oder der Nutzen von Frühmobilisation sind den Betroffenen zum Teil nicht bewusst. „Häufig scheitert die Mobilisation an mangelnder Kooperation des Betroffenen selbst“, weiß Fischbeck.

Fazit: Frühmobilisation ist eine wichtige Maßnahme. Sie verbessert die Genesung, beugt Immobilität vor und schützt vor Sturzangst. Die Möglichkeiten sind vielfältig, ob im Krankenhaus, Pflegeheim wie auch Zuhause.

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