In den letzten 60 Jahren ist die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre gestiegen, nicht zuletzt auch ein Erfolg der Altersmedizin

Lesen Sie hier den zweiten Teil des im CareTrialog erscheinen Interviews mit Prof. Dr. med Hüll zur Zukunft der Altersmedizin – Prof. Dr. med. Michael Hüll: „In den letzten 60 Jahren ist die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre gestiegen, nicht zuletzt auch ein Erfolg der Altersmedizin. Jetzt kommt es besonders darauf an, den gewonnenen Jahren Lebensqualität zu geben.“


Eine ganz besondere medizinische, betreuerische und pflegerische Herausforderung stellen Menschen mit Demenz dar. Wie kann ein Umfeld geschaffen werden, in dem die Betroffenen so gut wie möglich selbstständig zurechtkommen?

Prof. Dr. Michael Hüll: Für Menschen mit Demenz ist die Übersichtlichkeit der Station sowie die Abschirmung möglicher Gefahrenquellen ohne gravierende Einschränkungen der Mobilität wichtig. Möglichkeiten der Überwachung des Stationsausgangs, zum Beispiel der sogenannte Potsdamer Tisch, stellen gute Möglichkeiten dar, sind aber personalaufwändig.


Gibt es in der Altersmedizin spezielle Angebote/Programme für Demenzkranke?

Prof. Dr. Michael Hüll: Für Menschen mit einer Demenz und Verhaltensstörungen gibt es seit vielen Jahrzehnten spezialisierte gerontopsychiatrische Angebote in psychiatrischen Kliniken, die auch Patienten mit einem leichten Delir behandeln können. Zumeist gibt es ein interdiziplinäres Behandlungsteam aus Psychiatern, Internisten und Neurologen. Liegen aber stärkere internistische Erkrankungen vor, sind die somatischen Krankenhäuser gefordert. Hier bestehen an vielen Orten Bestrebungen, entsprechend interdisziplinäre Zentren für Altersmedizin aufzubauen.


Welche Rolle spielt die direkte Umgebung in der Altersmedizin: Inwieweit kann die Gestaltung von Räumen (Farbe, Licht, Materialien) zu einer Verbesserung des Wohlbefindens von älteren und/oder dementen Patienten beitragen?

Prof. Dr. Michael Hüll: Eine möglichst stolperfreie Umgebung mit Zugang zu einem Gartenbereich und fehlenden Möglichkeiten, sich in Technikbereichen zu gefährden sind wichtig. Helles, aber nicht grelles Licht sowie stärkere farbliche Kontraste zur Orientierung, zum Beispiel auch das farbliche Absetzen von Toiletten von ihrem Hintergrund, ist wichtig. Hier müssen auch die nachlassenden Sinnesleistungen, insbesondere die Sehleistungen, berücksichtigt werden.


Was wurde bis jetzt aus Ihrer Sicht in der Altersmedizin erreicht, wo sehen Sie noch große Herausforderungen?

Prof. Dr. Michael Hüll: In den letzten 60 Jahren ist die Lebenserwartung um etwa zehn Jahre gestiegen, nicht zuletzt auch ein Erfolg der Altersmedizin. Jetzt kommt es besonders darauf an, den gewonnenen Jahren Lebensqualität zu geben. Dem Erhalt der geistigen Leistungsfähigkeit wird dabei eine große Rolle zukommen und neuere epidemiologischen Studien weisen darauf hin, dass das Demenzrisiko in den letzten 30 Jahre gesunken ist, was zu Optimismus beitragen kann. Damit kommt aber eine weitere Erkrankung mit extrem negativem Einfluss auf die Lebensqualität auch im Alter ins Blickfeld, die Depression. Hier gibt es viele wirksame Hilfen, die aber noch nicht so gut die älteren Menschen erreichen.

Besten Dank für das Interview!

 

Als psychiatrische Fachkrankenhäuser versorgen die Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg psychisch kranke Menschen mit einem hochprofessionellen Portfolio stationärer, teilstationärer und ambulanter Behandlungsangebote. Vielerorts betreiben sie ausgelagerte Tageskliniken und Satelliteneinheiten und ermöglichen dadurch eine gemeindenahe Versorgung. Weiterhin wirken sie am Aufbau regionaler Verbundstrukturen aktiv mit – als Partner im Gemeindepsychiatrischen Verbund (GPV) und im regionalen Suchhilfenetzwerk. Mit der Einrichtung Psychiatrischer Institutsambulanzen wurde das Versorgungssystem im Land um einen weiteren wichtigen Baustein erweitert. Die Zentren für Psychiatrie Baden-Württemberg beschäftigen rund 10.000 Mitarbeitende in unterschiedlichen Berufen. Als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bieten sie vielfältige, attraktive und anspruchsvolle Angebote sowie Einsatzmöglichkeiten. Detaillierte Informationen unter www.psychiatrie-bw.de.

ProfHuell

Prof. Dr. med. Michael Hüll, MSc, ist Chefarzt der Klinik für Geronto- und Neuropsychiatrie am Zentrum für Psychiatrie am Standort Emmendingen. Noch in diesem Jahr (voraussichtlich Mitte 2016) soll hier der Neubau der Klinik für Gerontopsychiatrie mit einem Tag der offenen Tür eröffnet werden

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