Demenz: So gelingt Aktivierung durch Beziehung

Die Höhepunkte des Lebens, wie eine Hochzeit, eigene Kinder aber auch Geschichten aus dem Alltag sind gute Themen, um demente Menschen abzuholen.

Fotoalben anschauen

Viele Bewohner von Altenheimen haben Fotoalben mit in die Häuser gebracht. Gemeinsam darin zu blättern und zu schmökern, ist für dementiell Erkrankte bereichernd. Denn Ereignisse, wie die Geburt der Kinder und Enkel oder kirchliche Feiern wie Hochzeiten, Kommunionen oder das erste Weihnachten nach dem Krieg wurzeln tief im Gedächtnis. Oft sind diese lebensprägenden Meilensteine sogar wichtige Wendepunkte im Leben der Menschen.

Und wer sich zu fragen traut, bekommt häufig erstaunliche Antworten von betagten Bewohnern. Beim Blick ins Hochzeitsalbum könnte eine Frage lauten: „Was meinen Sie, was macht eine gute Ehe aus?“ Ob die Antwort dann lautet: „Nie an Scheidung zu denken“ oder „die Haltung `wir gehören zusammen, egal was passiert´, ist das Wichtigste“, sind wertvolle Lebensweisheiten, die in jedem Altenheim stecken.

Langzeitgedächtnis aktivieren

Vor allem aber wird mit dieser Form der Erinnerungsarbeit der an Demenz Erkrankte emotional erreicht. Es gelingt mit ihm oder ihr in Beziehung zu gehen. Oftmals rufen solche Einstiegsfragen Bilder auf, die das Langzeitgedächtnis gespeichert hat. So kann manche Bewohnerin detailliert beschreiben, wie ihr Hochzeitskleid ausgesehen hat. Sie erinnern sich an Muster, Farben und Schnitte – oder den Blumenschmuck. Andere geben einschneidende Begegnungen preis, die an Familienfeiern stattgefunden haben. Etwa, wenn sie den eigenen Partner am Hochzeitsfest der Schwester und des Schwagers kennengelernt haben.

Spielzeug aus der Jugend

Ein anderer Einstieg ins Gespräch geht über zeitgemäßes Kinderspielzeug. Einen Holz-Kreisel oder ein Twist-Gummiband, vielleicht ein Foto eines alten Fahrrads aus der Jugendzeit des Bewohners, eignen sich für Fragen wie: „Mit was haben Sie als Kind gespielt?“ oder „Welches Spielzeug mögen Kinder besonders?“ Hier ist die Einstiegshilfe in die Beziehungsarbeit ein Alltagsgegenstand, das Spielzeug oder ein Bild davon. Um das Gespräch weiterzuführen, bedarf es allerdings manchmal weiterer Impulse: „Aus was war das Spielzeug?“, „wo spielten Sie als Kinder?“ oder „welche Spiele haben Ihre Kinder gerne gespielt?“

An Typen erinnern

Dritter Ansatz für ein Gespräch in die Beziehungsarbeit sind alltägliche Begegnungen und Rituale. Fragen Sie die Bewohner nach spannenden oder skurrilen Typen, die ihnen im Leben begegnet sind. Vielleicht war es der Musiklehrer oder der erste Ausbilder, eine nette Nachbarin oder der Dorfpfarrer. Welche Begegnung ist hängen geblieben? Wie waren die Umstände? Was haben die Leute aus diesen Situationen gelernt oder wie liefen die Begegnungen ab?

Wenn das Gespräch stockt, helfen W-Fragen beim Aktivieren. Über Fragen, die mit „Wer, was, wann, wie, wo, weshalb und wozu“ beginnen, sammeln Rechercheure vollständige Fakten, um ein Bild zu kreieren. Diese Technik, die Rettungskräfte im Notfall anwenden oder mit denen Journalisten Hintergründe ausleuchten, ist auch beim Umgang mit dementiell veränderten Personen hilfreich.

Gefühle wahrnehmen

Bei Demenzpatienten kommt es vor, dass Antworten augenscheinlich nicht zur Frage passen. Demenzexperten raten, die Emotionen und Gewohnheiten der Patienten wahrzunehmen und diese wertschätzend benennen. Echauffiert sich ein Betroffener etwa über die Hochzeitsgäste von damals und beschimpft diese, sollte der Fokus der Reaktion nicht auf den Defiziten liegen. Belehrende Aussagen sind unangebracht.

Konzentrieren Sie sich stattdessen auf die positiven Eigenschaften. So können aus Ausfällen durchaus Ressourcen werden. Eine „Wegläuferin“ wird zur fürsorglichen Mama, der „Wühler“ zum Ordnungsfreund, die zähe „Fragestellerin“ zur Interessierten, die „Unruhige“ zur pünktlichen Dame.

Auf Körpersprache achten

Demenziell Veränderte spiegeln das Verhalten ihres Gegenübers. Wer über seine Körpersprache gute Laune, Wut oder Nervosität vermittelt, wirkt auf sie ansteckend. Die Bewohner bemühen sich zu verstehen, warum ein anderer schreit oder mit den Fingern trommelt und ahmen diese Verhaltensweise nach.

Ein guter Rat ist, Patienten immer von vorne anzusprechen, sie anzusehen und das gesprochene Wort durch Mimik und Gestik zu verstärken. Auch Berührungen sind wertvoll. Der Klang der Stimme und die Körperhaltung vermittelt Demenzpatienten, ob Betreuer entspannt oder gestresst sind. Gereichte Hände sehen sie als Willkommensgeste, einen Wink als Gruß.

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